Der Echtheitsnachweis im Kunstrecht
I. Vorbemerkung
Das Problem der Kunstfälschung ist so alt wie die Kunst selbst. Fälschungen von Originalen zu unterscheiden ist im Interesse der Kunst um ihrer Wahrhaftigkeit willen ebenso geboten wie im Interesse des Künstlers an seiner Authentizität und Einmaligkeit sowie Sammlers und Kunstkäufers aus wirtschaftlicher Sicht.
Das legitime Interesse des einzelnen und/oder der Allgemeinheit, Kunstfälschungen aufzudecken, erfordert Fingerspitzengefühl und Rechtskenntnis, da nicht minder schutzwürdige Interessen des Eigentümers, Kunsthändlers und anderer tangiert werden, für die bereits die bloße Behauptung, bei dem in ihrem Eigentum oder Besitz (z.B. Kommission) befindlichen Kunstwerk handle es sich um eine Fälschung, mit erheblichen wirtschaftlichen oder gar unwiederbringlichen Reputationsverlusten verbunden sein können. Wer eine Fälschung behauptet, muß sich vergegenwärtigen, daß er sich zivil- und strafrechtlich empfindlichen Haftungsrisiken aussetz. Der Eigentümer eines Kunstwerkes wird nicht widerspruchlos hinnehmen, daß sein Eigentum als Fälschung deklassiert wird. Er wird sich wehren und gegen den, der behauptet, das Kunstwerk sei nicht authentisch, vorgehen, darüber hinaus, Schadenerstatz und möglicherweise strafrechtliche Ahndung fordern.
Entscheidende Bedeutung kommt damit der Frage zu, wer was beweisen muß – der Eigentümer die Echtheit oder der Kritiker die Falschheit. Der Jurist spricht von Beweislastverteilung als allgemeinem Rechtsgrundsatz, um sodann gleich wieder einzuschränken, daß es einen allgemein verbindlichen Rechtsgrundsatz im eingentlichen Wortsinne gar nicht gibt, sondern jeder Einzelfall je nach Ausgestaltung unterschiedlichen Regeln folgen kann. Nicht umsonst lautet der Lieblingssatz des Juristen: Es kommt ganz darauf an!
II. Begriffsbestimmungen
Grundvoraussetzung der Klarheit einer Aussage ist die Klarheit der verwendeten Begriffe. Dieser Grundsatz ist allgemeinverbindlich und gilt damit erst recht in der Juristerei, die Richtschnur dafür sein soll, was richtig ist und was falsch.
1. Der Begriff des Originals
Den Begriff des Originals mit dieser Zielsetzung einer einheitlichen und damit verbindlichen Definition zuzuführen, erweist sich nur scheinbar als höchst problematisches Unterfangen.
Der Begriff des Originals wirde überwiegend in der juristischen Fachliteratur und Kunstliteratur gleichsam als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt und nahezu im selben Atemzug nach Maßgabe der jeweils zu erörternden Spezialmaterie ergebnisorientiert interpretiert und mitunter verfremdet, teilweise sogar verfälscht. Die auf diese Weise “neugeschaffenen” Definitionen werden sodann mitunter für allgemeinverbindlich erklärt oder sogar noch miteinander vermengt, bis vom ursprünglich als klar erwarteten Begriff kaum noch etwas übrig ist.
Tatsächlich ist der Begriff des Originals zunächst einmal ein natürlicher Begriff und kein Rechtsbegriff. “Original” ist etymologisch: Ursprung, Abstammung, Herkunft.*1 Damit ist jedes Werk das vom Künstler selbst gefertigt wurde, ein Original. Handelt es sich um ein nach der ursprünglichen Zielsetzung einmaliges Werk, beispielweise ein Gemälde, eine Zeichnung, eine Skulptur aus Stein, Holz oder einem anderen Material, ist das Original zugleich Unikat.*2 Das gleiche gilt für Entwürfe und Skizzen, die der Künstler gefertigt hat. Auch von Künstler eigenhändig wiederholte Werkstücke sind Originale in Form von Unikaten, sofern sie eine selbständige künstlerische Gestaltung aufweisen. Handelt es sich um identische Wiederholungen durch den Künstler, ist auch das Duplikat oder die Replik ein Original. Für die Qualifikation als Original ist im natürlichen Sinne einziges Abgrenzumgskriterium, daß der Künstler es selbst gefertigt hat. Irrelevant für die Qualifikation als Original ist die Signatur des Werkes. Die Signatur dient lediglich der Vereinfachung der Zuordnug eines Originales zum Künstler und damit einer Beweiserleichterung, hat aber für die Beantwortung der Frage der Originalität im übrigen keine eigenständiige Bedeutung. Außerordentlich wichtig ist die Signatur jedoch – wie im zweiten Teil des Beitrages gezeigt werden wird – für den Eigentümer, den Sammler, den Kunstliebhaber und andere für die Zuordnung des Werkes zum Künstler, wenn dieser nicht mehr lebt und ein Nachweis, daß das Werk von dem vermuteten Künstler stammn, nicht mehr erbracht werden kann. Für diesen Fall, der praktisch für die meisten Kunstwerke die Regel ist, stellt die Signatur oder das Künstlerzeichen eine erhebliche Beweiserleichterung dar. Darüber hinaus kommt der Signatur oder dem Künstlerzeichen natürlich eine erhebliche werbildende Bedeutung zu, da Kunstwerke ohne diese Kennung auf dem Markt praktisch nur schwer zu veräußern sind.
Für Druckgraphiken und plastische Werke, die durch Abguß hergestellt werden, gilt entgegen einer zuweilen in der juristischen Literatur vertretenen Auffassung nichts anderes. Druckgraphiken und plastische Werke, die vom Künstler selbst hergestellt worden sind, sind Originale in Form von Vervielfältigungsstücken. Die Auffassung, für derartige Werke sei “die Anschauung der am Kunstmarkt beteiligten Kreise” maßgebend,*3 ist korrekturbedürftig. Diese Auffassung verkennt, daß der Schöpfungsprozeß eines Werkes ein tatsächlicher und natürlicher Vorgang ist, bei dem es allein auf eine tatsächliche Beziehung zum Werk ankommen kann, nicht aber – in letzter Konsequenz – auf Fragen der Wertung, zwangsläufige Folge einer derartigen Definition wäre die Schaffung eines rechtsfreien Raumes und die Öffnung von Tür und Tor für beliebige Willkürentscheidungen. Die oben beschriebene Grundvoraussetzung der Klarheit der verwerdeten Begriffe und damit der einheitlichen und vor allem gerechten Bewertung würde ad absurdum geführt.
Wer soll auch bestimmen, welchem am Kunstmarkt beteiligten Kreis ein Mitsprachrecht zustehen soll. Die am Kunstmarkt beteiligten Kreise sin bei aller kunsthistorischen Fachkompetenz in ihrer Interessenrichtung derart unterschiedlich, daß es eine einheitliche Aanschauung schlechthin nicht gibt.*4 Führt man sich vor Augen, daß die Urheberschaft als natürlicher Schöpfungsakt auf einer tatsächlichen Beziehung zwischen Künstler und Werk beruht, kann nur diese tatsächliche Verflechtung Ansatzpunkt für die Bewertung sein. Ausschließlich diese Betrachtungsweise gewährleistet auch die erforderliche Justitiabilität und damit Rechtsicherheit, auf die Künstler, Erwerber von Kunstgegenständen und damit der gesamte Rechtsverkehr angewiesen sind.*5
Bei Werken der Druckgrafik sind alle Abzüge, die von Künstler selbst von der Druckform gezogen worden sind, Originale.*6 Das gleiche gilt für die Abgüsse einer Plastik von der Gußform.*7 Für den natürlichen Begriff der Originalität kommt es auf eine Nummerierung oder Signatur durch den Künstler nich an.*8 Auch hier gilt, daß Numerierung oder Signatur lediglich der Beweiserleichterung bei der Zuordnung dienen, aber nicht eine darüber hinausgehende eigenständige Bedeutung genießen.
Eine einzige rechtliche Fragestellung taucht im Zusammenhang mit der Frage der Eigenhändigkeit der Werkerstellung auf. Hierbei handelt es sich in der Sache um ein Zurechnungskriterium fremden Handels zum eigenen Erfolg. Nach der herrschenen Meinung in der juristischen Literatur muß der Künstler nicht höchstpersönlich jeden Arbeitsvorgang erledigt haben, vielmehr ist ein Vervielfältigungsstück auch dann Original, wenn es unter seiner Aufsicht und damit seiner unmitelbaren künstlerischen Verantwortung von Dritten hergestellt wurde.*9
2. Die Abgrenzung von Urheberschaft und Urheberrecht
Zur Klarstellung: Original meint allein Urheberschaft. Diese darf nicht gleichgesetzt oder gar verwechselt werden mit Urheberrecht. Das Urheberrecht setzt Urheberschaft voraus und leitet aus ihr über das Urheberrechtsgesetzt Rechte primär zum Schutz des Urhebers ab. Im Urheberrecht wird die schöpferische Tätigkeit des Urhebers geschützt, die ein neues geistiges Gut hervorbringt, in dem das Urheberrecht ein eigentumsähnliches Recht an diesem Gut gewährt. Diese geistige un damit immaterielle Gut ist etwas anderes als körperliche Gegenstand, der die geistige Schöpfung materialiesiert, sei es als Original oder als Vervielfältigungstück. Auch das Eigentum am Werksexemplar spielt im Urheberrechtsschutz keine Rolle. Der Schutz des Eigentums am Werkexemplar erfolg primär durch den Besitz, der Nutzungen ermöglichen oder ausschließen läßt. Dagegen ist bei dem immateriellen Geistwerk eine faktische Herrschaft nicht mehr denkbar, sobald es in die Öffentlichkeit gelangt. Soll dem Urheber die Herrschaft über seine geistige Schöpfung erhalten bleiben, bedarf es eines dem Eigentum ähnlichen Rechts, das dem Schöpfer die Möglichkeit bietet, das Ob und Wie der Werkverwendung durch Dritte zu gestatten bzw. imh eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg zuzusprechen.*10 Diese Rechte des Künstlers/Urhebers regelt das Urheberrechtsgesetz.
Im Urheberrechtsgesetz findet sich dagegen keine legaldefinition des Originalbegriffs. Der Begriff des Originals findet zwar mehrfach Verwendung und wird damit für die urheberrechtsspezifischen Rechtsfolgen vorausgesetzt, aber nicht – was nahliegend und auch wünschenswert gewesen wäre – einer allgemeinverbindlichen Definition zugeführt.*11
III. Die Beweislastverteilung beim Echtheitsnachweis von Werken der Bildenden Künste
1. Allgemeine Grundsätze
Wird die Echtheit eines Kunstwerks und damit die Urheberschaft eines Künstlers in Abrede gestellt, stellt sich die Frage der Beweislastverteilung. Die Beweislast gibt Antwort, zu wessen Ungunsten es sich (im Prozes) auswirkt, wenn eine bestimmte Tatsache nicht bewiesen werden kann, d.h. unaufklärbar ist (sog. non liquet). Das Gericht hat die Sachlage dann in diesem Punkt zu Ungunsten der Partei anzusehen, die die Beweislast hinsichtlich dieser Tatsache trägt.*12 Als allgemeiner Grundsatz gilt, daß die Beweislast bei demjenigen liegt, der aus der zu beweisenden Tatsache Rechte herleiten möchte, dem sie also zustatten kommt.*13 Wer sich auf die Urheberschaft beruft, müßte nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen folglich den vollen Beweis der Urheberschaft des von ihm in Bezug genommenen Könstlers führen. Auch der Künstler, der behauptet, Urheber eines Kunstwerkes zu sein, müßte dies im Bestreitensfalle beweisen. Diese allgemeine Beweislastverteilung erfährt jedoch über das Urheberrecht und die Grundsätze des Urkundenbeweises eine differenzierte Regelung bis hin zur Beweislastumkehr.
2. Das nicht signierte Werkstück
Den vollen Beweis der Urheberschaft muß im Bestreitensfalle derjenige führen, der die Zugehörigkeit eines Kunstwerks zu einem Künstler behauptet, der auf dem Original des Werkes nicht als Urheber bezeichnet ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, ist das Kunstwerk dem Künstler im Zweifel nicht zuzuschreiben. Diese Beweislastverteilung gilt auch für den Künstler selbst, der sich der Urheberschaft eines bestimmten Werkes berühmt. Privilegien in der Beweisführung kommen dem Künstler bei versäumter Signatur des Werkes nicht zustatten.
Die Beweisführung ist damit beschränkt auf die nach den Zivilprozeßrecht zulässigen Beweismittel: Beweis durch Augenschein (§§ 371 ff. ZPO), Zeugenbeweis (§§ 373 ff. ZPO), Beweis durch Sachverständige (§§ 402 ff. ZPO), Beweis durch Urkunden (§§ 415 ff. ZPO), Beweis durch Parteivernehmumg (§§ 445 ff. ZPO).
3. Das mit einer Urheberbezeichnung versehene Werkstück
Ist das Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen, ist zu unterscheiden, ob sich a) Der Künstler selbst auf die Urheberschaft beruft, b) der Eigentümer sich gegenüber dem Künstler persönlich auf dessen Urheberschaft beruft, oder c) der Eigentümer sich gegenüber Dritten auf die Urheberschaft beruft.
a) Der Künstler beruft sich selbst auf seine Urheberschaft
Beruft sich der Künstler selbst auf seine Urheberschaft, greift zu seinen Gunsten das Urheberrechtsgesetz (UrhG) Platz, das dem Schutz seines Schaffens und seiner geistigen Schöpfung dient. So heißt es, in § 10 Urhebergesetz (Vermutung der Urheberschaft): “Wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf den Original eines Werkes der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber angesehen; dies gilt auch für eine Bezeichnung, die als Deckname oder Künstlerzeichen des Urhebers bekannt ist.”
Gesetzgeberischer Hintergrund dieser Vorschrift ist die Erkenntnis, daß es für den Urheber bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen oftmals schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein wird, den Nachweis seiner Urheberschaft zu führen, da er bei der Schöpfung des Werkes häufig nicht im Beisein anderer gehandelt haben wird, sondern allein.*14
Der Begriff der Bezeichnung als Urheber “in üblichen Weise” ist weit auszulegen. Im Zweifel ist zugunsten des Urhebers zu entscheiden.*15 Üblich ist jede Kennzeichnung, die den Urheber ohne Schwierigkeiten und eindeutig erkennen läßt.*16Selbstverständlich erfaßt sind mit Vor- und Zunamen vollständig sowie (lediglich) mit dem Nachnamen signierte Werke, da es sich um die individualisierbare Namensnennung handelt. Für die Signatur lediglich mit dem Vornamen in Alleinstellung in der Regel deshalb keine Namensfunktion zukommt, weil sie zu weit verbreitet sind, um als Individualisierender Hinweis auf eine Person verstanden werden können. Der Vorname genießt allerdings dann wieder Namensschutz, wenn sein Gebrauch in der Öffentlichkeit die Erinnerung an den Träger des Vornamens quasi in der Form eines Künstlernamesn weckt.*17 Das Künstler Monogramm (Meisterzeichen) *18 ebenso wie das “einfache” Monogramm in Form der Verwendung von Initialen Künstlerzeichen im Sinne des § 10 Abs. 12. HS UrhG.*19 Ebenso wie der Deckname, d.h. der mit dem bürgerlichen Namen des Urhebers nicht übereinstimmende Name, mi dem dieser im Verkehr aufttritt, ist das Künstlerzeichen “bekannt” und damit beweiskräftig, wenn es zur Identifizierung des Urhebers geeignet ist. Beim Decknamen ist dagegen nicht erforderlich, daß bekannt ist, wer sich dahinter verbirgt oder ob es sich überhaupt um einen Decknamen handelt.*20
Rechtliche Konsequenz der Urheberbezeichnung in einer der oben Beschriebenen Formen ist, daß die Urheberschaft als feststehend zu behandeln ist, solange nicht der volle Beweis des Gegenteils geführt ist.*21 Die Kontrovers geführte Diskussion, ob es sich bei der Vermutung des § 10 UrhG um eine tatsächliche Vermutung handelt, daß der Bezeichnete tatsächlich der Urheber ist, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist *22, oder um eine Rechtsvermutung i.S.d.§ 292 ZPO, die aus der Urheberbezeichnung von Gesetzes wegen den Schluß auf die Urheberschaft zieht *23, ist im Ergebnis nicht nur akademischer Natur.*24 Bei der gesetzlichen Vermutung muß der volle Beweis des Gegenteils geführt werden. Bei der tatsächlichen Vermutung reicht dagegen bereits die Erschütterung der Vermutung, um sie im Zweifek zu entkräften. Richtig ist, die Vermutung des § 10 UrhG als rechtliche Vermutung zugunsten des auf dem Werk als Urheber Bezeichneten anzusehen, da anderfalls die durch das Urheberrechtgesetz beabsichtigte Stärkung seiner Rechtsposition für ihn in unzumutbarer Weise entkräftet würde.
b) Der Eigentümer beruft sich gegenüber dem Künstler auf dessen Urheberschaft
Die Vermutungswirkung des § 10 UrhG gilt nur zugunsten des Urheners selbst, nicht dagegen zu seinen Lasten. Sonst müßte der als Urheber Bezeichnete den Negativbeweis erbringen, daß er nicht der Urheber ist und sich andernfalls gefallen lassen, daß er weiterhin als Urheber bezeichnet wird. Die fehlende Tragfähigkeit einer derartigen Konsequenz erschließt sich bereits aus der ratio des Urheberrechtsgesetzes. Das Urheberrecht ist weitestgehend auf die Person des Urhebers ausgerichtet und dient seinem Schutz. Das Urheberrecht des künstlerischSchaffenden wird als Eigentum i.D.d.Art. 14 GG behandelt und in der persönlichkeitsrechtlichen Komponente durch die Art. 1 (Menschenwürde) sowie 2 Abs.1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) flankiert.*25 Der Eigentümer kann sich folglich auch nicht unter Berufung auf sein Eigentum bei behaupteter unrichtiger Urheberangabe auf § 10 UrhG verlassen, sondern ist gegenüber dem Künstler selbst auf die volle Nachweispflicht verwiesen *26
c) Der Eigentümer beruft sich gegenüber Dritten auf die Urheberschaft des Künstlers
Etwas komplexer wird die Beweislastverteilung, wenn Dritte nach dem Tode des Künstlers in Abrede stellen, daß das mit einem Künstlerzeichen versehene Kunstwerk von diesem stammt.
Aus § 10 UrhG kann der Eigentümer eines Kunswerkes auch Dritten gegenüber keine Schutzrechte herleiten. Das Urheberrechtsgesetz ist auf den Eigentümer, der nicht zugleich Urheber ist, nicht anwendbar.
Anderseits ist der Eigentümer des mit einer Urheberbezeichnung versehenen Kunstwerks beweisrechtlich besser gestellt als der Eigentümer eines Kunstwerkes ohne jedes Künstlerzeichen. Ein Künstlerzeichen ist ein sog. Beweiszeichen, dem Urkundenqualität zukommt.*27 Das nicht signierte Kunstwerk ist zwar keine Urkunde im Rechtssinne, weil eine Urkunde begriffsnotwendig einen Aussteller erkennen lassen und eine rechtlich erhebliche Tatsache beweisen muß.*28 Indem der Künstler das Kunstwerk jedoch signiert, bezweckt er “einzig und allein (…), ein sichtbares Zeichen dafür zu geben, daß das Gemälde von seiner, des Künstlers Hand herrühre, daß er es für vollendet und für verkehrsreif gelten lassen wolle und daß er es als seine Schöpfung gegenüber der Öffentlichkeit anerkennen und vertreten werde. Ebenso erblickt weiterhin die allgemeine Anschauung in dem Namenszug des Künstlers die Gewähr für seine Urheberschaft und die Reife seines Werkes”.*29 Mit der Signierung erlangt das Kunstwerk als Ganzes folglich Urkundercharakter *30, der zu einer deutlichen Beweisverbesserung führt.
Für die Echtheit eines mit einem optisch auf den ersten Blick einwandfreien Künstleerzeichen versehenen Kunstwerks spricht zunächst der Beweis des ersten Anscheins. Von einem Beweis des ersten Anscheins spricht man bei einem Sachverhalt, der einen typischen Geschehensablauf nahelegt, d.h., bei dem nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann.*31 Die allgemeine Lebenserfahrung spricht dafür, daß ein Kunstwerk von dem stammt, dessen Künstlerzeichen auf dem Kunstwerk befindlich ist.
Der Anscheinsbeweis begründet beweisrechtlich eine sog. tatsächliche Vermutung.*32 Schwächer als die gesetzliche Vermutung kehrt sie die Beweislast nicht vollständig und endgültig um, erleichtert sie aber. Praktisch kommt sie der Beweislastumkehr recht nahe. Wer den Beweis des ersten Anscheins gegen sich hat, muß zwar niicht das Gegenteil, aber immerhin die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache behaupten und beweisen. Die tatsächliche Vermutung muß nicht widerlegt, wohl aber erschüttert werden. Erst wenn der Anscheinsbeweis erschüttert ist, lebt die gesetzliche Beweislast wieder voll auf.*33 Hieraus erschließt sich, daß Dritte – auch die Erben oder Nachlaßverwalter des Künstlers – nicht mit der pauschalen und nichtnäher begründeten Behauptung durchzudringen vermögen, das Kunstwerk stamme nun einmal nicht vom Künstler, sondern substantiiert vortregen müßen, mit welcher Begründung sie zu diesem Ergebnis gelangen. Wird lediglich unqualifiziert die Urheberschaft in Abrede gestellt, ist dieses Bestreiten unbeachtlich.*34 Es greifen dann die Grundsätze des zivilprozessualen Urkundenbeweises, denn mit der Erlangung von Urkundenqualität durch Signatur ist das Kunstwerk auch diesem Beweismittel zugängig (§§ 437 ff. ZPO). Im Falle des unsubstantiierten und damit unbeachtlichen Bestreitens der Echtheit gilt prozeßrechlich gemüß § 439 Abs. 3 ZPO die Echtheit des Kunstwerks als anerkannt. Man spricht von einem unterstellten Geständnis.*35 Wird die Echtheit dagegen nachvollziehbar in Abrede gestellt, ist wiederum derjenige, der sich auf die Echtheit beruft, auf den Vollbeweis verweisen. Dieser Vollbeweis ist sinnvollerweise naturwissenschaftlich und kunsthistorisch anzutreten. Aus naturwissenschaftlicher Sicht sind zwei Prüfungsverfahren erforderlich, die nachfolgend kurz am Beispiel des Echtheitsnachweises von Gemälden verdeutlicht werden sollen: In seinem ersten Schritt gibt die Einholung eines naturwissenschaftlichen Gutachtens Aufschluß über Malmaterial und maltechnischen Aufbau. Die verendeten Pigmente und Bindemittel sowie der Bildträger müssen sich der Zeit, in der das Kunstwerk entstanden sein soll, zuordnen lassen. Das Künstlerzeichen muß in die noch frische Faarbe eingebracht worden sein, um den räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dokumentieren. Mittels des naturwissenschaftlichen Gutachtens über Malmaterial und maltechnischen Aufbau läßt sich freilich nicht der positive Nachweis der Urheberschaft des Künstlers führen, sondern entweder der Negativbeweis, daß das Malmaterial nicht die Epoche des Künstlers paßt, oder aber der Nachweis, daß aus dieser Sicht nichts gegen die Zuordnung zum in Bezug genommen Künstler spricht.Das naturwissenschaftliche Gutachten zum Malmaterial und maltechnischen Aufbau hat also entweder (negativ) Ausschlußwirkung oder (positiv) eine gewisse Indizwirkung. Nur wenn positiv die zeitliche Zuordnung des Malmaterial etc. zum Künstler debkbar ist, machen die weitteren Untersuchungsschritte überhaupt Sinn, andernfalls hat sich naturwissenschaftlich belegt die Frage der Zuordnung zum Künstler ohnehin erledigt.
Nach positivem Resultat des ersten Untersuchungsschrittes ist in einem zweiten Schritt mittels eines schriftvergleichenden Gutachtens der Vergleich der Signatur des in Bezug genommenen Künstlers mit einer unstreitig von diesem herrührenden Signatur sowie gegebenfalls mit weiteren historischen biografischen Dokumenten anzustellen. wird über die Echtheit des Kunstwerks bereits gerichtlich gestritten, kann das Gericht den Schriftvergleich selbst virnehmen. Es handelt sich dann um einen Beweis durch Augenschein (§ 371 ZPO). Sinnvoller – auch bereits im außegerichtlichen Prüfungsverfahren – ist aber der Schriiftvergleich durch einen (Schrift-)Sachverständigen (§ 402 ZPO).
Sodann – oder auch parallel – ist ein kunsthistorisches Gutachten eines anerkannten Kunstsachverständigen einzuholen, der eine stilkritische Stellungname abgibt.
Spricht aus kunsthistorischer und aus schriftvergleichender Sicht nichts gegen eine Zuordnung, so ist das Kunstwerk dem Künstler im Zweifel zuzuschreiben und nicht abzulehnen, und zwar dann primär auf der Grundlage des Schriftvergleichenden Sachverständigengutachtens. Zwar unterliegen auch die Gutachten von Sachverständigen der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (§ 286 ZPO), so daß das Gericht nicht von der sorgfältigen und kritischen Würdigung eines Sachverständigengutachtens entbunden ist. Will es von dem qualifizierten Gutachten eines anerkannten Sachverständigen jedoch abweichen, muß es seine abweichende Überzeugung begründen, und diese Begründung muß erkennen lassen, daß die abweichende Beurteilung nicht durch einen Mangel an Sachkunde beeinflußt ist.*36 Auf der Grundlage eines inhaltlich überzeugenden Sachverständigungsgutachtens wird das Gericht in aller Regel den Ausführungen des Sachverständigen folgen und sich davor hüten, von einem Gutachten wegen vermeintlich besserer Sachkunde abzuweichen, obwohl doch gerade das Fehlen solcher Sachkunde Anlaß gab, ein Gutachten überhaupt einzuholen.*37
IV. Zusammenfassung
Die Bestimmung der Originalität eines Kunstwerkes und damit der Urheberschaft eines Künstlers erfolgt grundsätzlich aus tatsächlicher und nicht rechlicher Betrachtungsweise. Maßgeblich ist allein der natürliche Bezug des Künstlers zum Werk und nicht eine wie auch immer geartete Verkehrsauffassung.
Die Echtheit eines Kunstswerks bestimmt sich nach allgemeinen Beweisgrundsätzen in Abhängigkeit von der Person, die sich auf die Echtheit beruft.
Künstler und Eigentümer sind voll beweisbelastet, wenn es um die Frage der Echtheit eines nicht mit einem Künstlerzeichen versehenen Kunstwerks geht. Kann der Beweis der Echtheit nicht positiv geführt werden, ist das Kunstwerk dem Künstler im Zweifel nicht zuzuschreiben.
Bei einem mit einem Künstlerzeichen versehenen Kunstwerk ist der Künstler, der in der übliche Weise als Urheber bezeichnet ist, privilegiert. Für ihn streitet die gesetzliche Vermutung des § 10 UrhG, daß das Kunstwerk von ihm stammt. Bis zum vollen Beweis des Gegenteils ist es ihm zuzusprechen.
Bei einem mit einem Künstlerzeichen versehenen Kunstwerk ist der Eigentümer gegenüber dem Künstler selbst in keiner Weise privilegiert. Weder kann sich der Eigentümer gegenüber dem Künstler auf § 10 UrhG berufen, noch kommt ihm eine sonstige Beweiserleichterung zustatten. Bestreitet der Künstler seine Urheberschaft, muü der Eigentümer den Vollbeweis des Gegenteils führen. Im Zweifel ist das Werk dem Künstler nicht zuzuschreiben.
Bei einem mit einem Künstlerzeichen versehenen Kunstwerk ist der Eigentümer gegenüber Dritten – auch den Erben – über den Beweis des erstens Anscheins privilegiert. Wird die Urheberschaft nicht substantiiert bestritten, gilt sie als zugestanden, d.h., eine pauschale Verneinung der Urheberschaft ist unbeachtlich und das Kunstwerk wird im Zweifel als echt behandelt. Im Falle qulifizierten Bestreitens der Urheberschaft durch Dritte obliegt dem Eigentümer der Vollbeweis der Urheberschaft. Sämtliche Beweismittel des Zivilprozeßrechts sind zulüssig, die Einholung von kunsthistorischen und naturwissenschaftlichen Gutachten in der Regel notwendig. Spricht unter Berücksichtigung des Malmaterials sowie des maltechnischen Aufbaus nichts gegen die Originalität, kommt neben der kunsthistorischen Untersuchung dem schriftvergleichenden Sachversändigengutachten entscheidende Bedeutung zu. Bestätigt das schriftvergleichende Gutachten die Übereinstimmung des Künstlerzeichens, so ist im Zweifel zuzuschreiben und das Kunstwerl als echt anzusehen.
Materialien zur Praxis – für Kunst und Handel aus dem “WELTKUNST”, aktuellen Zeitschriften für Kunst und Antiquitäten, vereinigt mit “Kunst und Antiquitäten”, erscheinen in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Detscher Kunstverleger.
Die Autoren, Dr. Claus Chevalier und Klaus Viehweger sind als Rechtsanwälte für Kunst-, Urheber- und Vertragsrecht spezialisiert.